„Wir schießen einen Pfeil ab und wo er steckenbleibt, da malen wir eine Zielscheibe hin“, so umschreibt Prof. Dr. Ralf Röhlsberger das übliche Vorgehen in der Grundlagenforschung. Der gebürtige Hamburger ist neuer Inhaber des Lehrstuhls für Röntgenphysik am Institut für Optik und Quantenelektronik der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Die imaginäre Zielscheibe steht dabei für den potenziellen Nutzen der Grundlagenforschung: Nicht immer sei vorhersehbar, welche Anwendungen sich aus neuen Entdeckungen ergeben.

Neu in Jena: Prof. Dr. Ralf Röhlsberger arbeitet am Institut für Optik und Quantenelektronik der Universität Jena

Neue Beschichtungsanlage entsteht an der Universität Jena

Ralf Röhlsberger betont, wie wichtig es für ihn ist, bei seinen Forschungen buchstäblich ausgetretene Pfade zu verlassen. So habe beispielsweise die Entdeckung der magnetischen Eigenschaften von Dünnschicht-Elementen zur Entwicklung neuartiger Sensoren geführt, die in der Automobilindustrie einsetzbar sind. Die Entwicklung dieser Sensoren trieb Röhlsbergers Team in Hamburg voran. In Jena möchte er an diese Forschungen anknüpfen. Gezielte Veränderungen der optischen Eigenschaften von Atomkernen zu untersuchen, die mit Röntgenstrahlen beschossen werden, ziehe sich als „roter Faden“ durch seine wissenschaftliche Arbeit. Dieser „Mößbauer-Effekt“ war schon Thema in Ralf Röhlsbergers Dissertation an der Universität Hamburg: „Grazing Incidence Optics for Nuclear Resonant Filtering of Synchrotron Radiation“. Nun wird auch an der Universität Jena eine neue Beschichtungsanlage gebaut, die weitere Forschung am Mößbauer-Effekt ermöglicht. In den Fokus des Teams um Ralf Röhlsberger rücken Materialien wie Eisen 57, Zinn und die sogenannten Seltenen Erden.

Etwas Verrücktes ausprobieren

„Ich bin optimistisch, dass es noch viele unbekannte Inseln gibt, die es zu entdecken gilt“, sagt Prof. Röhlsberger. Das sei ja das Faszinierende an der Physik: Als Forscher könne er der Natur Geheimnisse entlocken, Dinge sehen, die noch keiner gesehen hat. Ein großes „unentdecktes Land“ gebe es noch in der Physik. Hier kommen die Studierenden ins Spiel: Ralf Röhlsberger schätzt den frischen, unverstellten Blick der Nachwuchswissenschaftler. „Die Studierenden sollen ruhig mal etwas Verrücktes ausprobieren“, sagt er. Wer nichts Neues versuche, kann auch nichts Neues entdecken.

Der Natur neue Erkenntnisse entlocken
Prof. Dr. Ralf Röhlsberger ,Helmholtz Institut, Friedrich-Schiller-Universität Jena, aufgenommen in Jena am 23.09.2020. Foto: Anne Günther/Universität Jena

Ralf Röhlsberger ging als Postdoc nach Chicago, wechselte dann an die Universität in Rostock. Dort entstand seine Habilitationsschrift: „Nuclear Condensed Matter Physics with Synchrotron Radiation: Basic Principles, Methodology and Applications“. Von 2003 an arbeitete er am Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY) in Hamburg. Hier begann die Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern aus Jena. Der Wechsel von der Weltstadt Hamburg nach Jena sei ihm leichtgefallen, sagt Röhlsberger. Zumal er die Kooperation mit den Fachkollegen hier intensivieren kann.

Leidenschaft für Astronomie

Die Liebe zur Physik begann bei Ralf Röhlsberger mit dem Teleskop seines Vaters: „Schon in der Grundschule wollte ich unbedingt später einmal Astronom werden“, sagt er. Am Gymnasium leitete er eine Astronomie-AG, während des Studiums war die Sternenkunde eines seiner Nebenfächer. Doch schließlich wählte er die Astronomie ab, um sie als Leidenschaft zu behalten. In seiner Freizeit sind es neben der Familie – Ralf Röhlsberger ist verheiratet und hat einen 16-jährigen Sohn – ganz irdische Probleme, mit denen sich der Neu-Jenaer beschäftigt. Röhlsberger konstruiert und fertigt selbst Möbel an. Auf diese Weise sind schon Sessel, eine Sitzbank und diverse Regalsysteme entstanden. Sein aktuelles Heimwerkerprojekt führt indes wieder zur Physik: Ralf Röhlsberger arbeitet an einer Maschine, mit der sich die Streuung von Röntgenstrahlen zeigen lässt. Als Photonen dienen dabei kleine Kugeln. Die Konstruktion sei gewissermaßen sein ganz persönliches Corona-Projekt, sagt Ralf Röhlsberger lächelnd.

Samstagsvorlesung am 7. November nur digital

Erleben kann man Prof. Röhlsberger bereits am 7. November. Er spricht im Rahmen der Samstagsvorlesungen der Physikalisch-Astronomischen Fakultät ab 10.30 Uhr über „125 Jahre Röntgenstrahlung: Von der Entdeckung bis zum Röntgenlaser“. Aufgrund der aktuellen Corona-Situation wird die Vorlesung – ebenso wie die am 28. November – ausschließlich digital zu verfolgen sein. Der Live-Stream kann unter http://online.mmz.uni-jena.de und dort im „Hörsaal 1 Physik“ verfolgt werden.

Info, FSU JENA // Axel Burchardt