Gesellschaftliche Probleme zu erkennen, sie beim Namen zu nennen und dagegen etwas zu tun – das ist das Anliegen des Tausend Taten e.V. in Jena. Der Verein entwickelt Projekte und fördert freiwilliges Engagement von Bürger*innen in Jena um dort aktiv zu werden, wo neben professioneller Hilfe zivilgesellschaftliches Engagement einen Unterstützungsbeitrag leisten kann. Unter dem Motto: „Tausend und deine Tat. Zeit schenken – Freude gewinnen“ wird dieser Anspruch Jahr für Jahr durch viele ehrenamtlich tätige Menschen umgesetzt und lebendig.
Der überwiegende Anteil der Ehrenamtlichen konnte jedoch in den vergangen Wochen nicht in der üblichen Weise in den Projekten Vorlesepaten, Lesementoren oder Co-Pilot / Leihgroßeltern aktiv werden. Geschlossene Schulen und Kindergärten und das bestehende Kontaktverbot erschweren oder verhindern, dass die Ehrenamtlichen ihrem üblichen Engagement in den Projekten nachgehen können.
Besonders einschneidend erlebte der Verein diese Entwicklung in den Altenhilfeprojekten „NAHbarn“ und „Paten für Demenz“, in denen (bereits vor der Corona-Pandemie) mithilfe zahlreicher Engagierter der wachsenden Einsamkeit im Alter entgegengewirkt wird. Regelmäßige Besuche bei Senior*innen verhindern, dass alleinlebende Menschen den gesellschaftlichen Anschluss verlieren und ermöglichen pflegenden Angehörigen eine kurzweilige Auszeit vom Pflegealltag. Mit Aufkommen der Covid-19-bedingten Einschränkungen waren es vor allem diese, oftmals hochaltrigen oder vorerkrankten Menschen, deren Lebensalltag in einer besonderen Härte von den Maßnahmen beeinträchtigt wurde. Menschen, die mithilfe von ehrenamtlichen Helfer*innen zunächst einen Weg aus der anwachsenden Einsamkeit fanden, drohten nun erneut in diese zurückzufallen.

Tausend und deine Tat. Zeit schenken – Freude gewinnen
Wo es ging, wurden die tatsächlichen Besuche durch Anrufe ersetzt. Freilich funktionierte es nur da, wo körperliche und geistige Fähigkeiten den Umgang mit dem Telefon noch möglich machen. Und es kann das tatsächliche Begegnen, einen gemeinsamen Augenblick, einen Händedruck, das nötige Unterhaken beim Spaziergang nicht ersetzen, aber zumindest hilft es etwas, die immer stärker spürbare Isolation oder Einsamkeit ein wenig erträglicher zu machen.
Aus diesen Erfahrungen wurde das tele*NAHbarn Projekt entwickelt. Es richtet sich an alle älteren Menschen in Jena, die den Gedanken, sich regelmäßig mit einer anderen, jedoch immer gleichen Person am Telefon auszutauschen, attraktiv finden. Der Fokus liegt dabei keineswegs auf Krisen, Not oder Einsamkeit. Ziel ist es vielmehr, Menschen miteinander bekannt zu machen und Möglichkeiten zu schaffen, sich in der Vertrautheit eines freundschaftlichen Gespräches über Erlebtes auszutauschen, Erfahrungen weiterzugeben, den Alltag zu thematisieren, aber auch, um einmal Sorgen miteinander zu teilen. Natürlich ist das Thema „Einschränkungen und Verbote“ gerade sehr präsent. So erfuhr eine tele*NAHbarin von ihrer Seniorin viel über Einschränkungen, welche diese beispielweise zu früheren Zeiten als DDR-Bürgerin bezüglich des Reisens erlebt hatte. Bei der Vermittlung der Kontakte zueinander greifen die Projektleiter*innen auf langjährige Erfahrungen in diesem Bereich zurück. Bevor ein neues tele*NAHbarn-Tandem entsteht, erfragen sie die Interessen oder Lieblingsthemen der Menschen. Sie lernen Senior*innen und potentielle Anrufer*innen in einem Telefonat kennen und bekommen so ein Gefühl für diese. Basierend auf diesem und den Wünschen der Teilnehmer*innen versuchen sie dann den oder die bestmögliche*n Telefonpartner*in zu finden. So konnten in nur 4 Wochen bereits 10 neuen Bekanntschaften angestoßen werden. Die meisten Gedanken hatten sich die Verantwortlichen um den Erstkontakt zwischen Senior*in und Freiwilligen gemacht. Normalerweise findet dieser in Begleitung der Projektleitung bei der/dem besuchten Senior*in zu Hause statt. Das ist bei einem Telefonat nicht möglich. Die derzeitigen Erfahrungen zeigen aber, dass diese Bedenken unbegründet sind. „Natürlich war ich aufgeregt vor dem ersten Gespräch“ berichtet eine Ehrenamtliche, „aber meine Seniorin hat es mir leichtgemacht. Wir haben einfach angefangen, drauf los geredet. Man hat sich vorgestellt und erzählt, wie es einem gerade in dieser Situation so geht.“ Etwas Mut, den ersten Schritt zu tun und sich auf einen solchen Kontakt über das Telefon mit einem zunächst fremden Menschen einzulassen fordert es von beiden Seiten. Doch der Gewinn daraus ist für alle groß. Eine Seniorin meinte dazu: „Wissen Sie, ich sitze hier immer und schon so lange, ohne ein Wort mit jemanden zu sprechen. Da ist das sehr schön von jemanden angerufen zu werden.“ Ist das Vertrauen und die Sympathie einmal da, werden die Anrufe schnell zu einer freudigen Abwechslung, bei der mal Senior*in, mal tele*Nahbar*in zuerst zum Hörer greift. Auf die Frage nach einem möglichen Vergleich von Telefonkontakten zu tatsächlichen Besuchen antwortete eine Seniorin: „Das Eine ist so schön wie das Andere, jedes auf seine Art.“ Der Vorteil dieses Kontaktes liegt wohl darin, von überall aus telefonieren zu können, unabhängig davon, wo man sich gerade aufhält. Ebenso ist es manchmal auch einfacher, schneller möglich, da der Weg zueinander entfällt. Dennoch, darin sind sich alle bestehenden tele*NAHbarn Kontakte einig: Wenn es die Umstände wieder möglich machen, so wollen sie sich alle einmal auch persönlich treffen.
Wenn auch Sie Interesse daran haben, regelmäßig angerufen zu werden, dann können Sie sich gerne an den Verein Tausend Taten e.V. wenden. Telefon 03641 9264171, kontakt@tausendtaten.de, Neugasse 19, 07743 Jena
Info und Foto, Tausend Taten e.V.