Die Wirtschaftsinformatiker Prof. Dr. Thomas Wöhner, Professor für allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Wirtschaftsinformatik, an der EAH Jena und PD. Dr. Michael Scholz, Forschungsleiter Business Data Analytics & Optimization am Technologie Campus der TH Deggendorf, befassen sich in ihrer Forschung mit dem Thema E-Business und den ökonomischen Aspekten einer zunehmenden Vernetzung durch das Internet. Konkret entwickeln die Forscher Modelle, um die Verbreitung von Nachrichten in Sozialen Netzwerken und damit die ökonomischen Aspekte des viralen Marketings zu untersuchen.
Mathematisch gesehen sind solche Modelle sehr ähnlich zur Ausbreitung von Infektionskrankheiten. In Sozialen Netzwerken wie Facebook sind Menschen über Freundschaftsbeziehungen miteinander vernetzt und teilen bzw. leiten mit einer gewissen Eintrittswahrscheinlichkeit Postings an soziale Kontakte weiter. Kaskadenartig verbreiten sich auf diese Weise Informationen im Netzwerk. Da Nachrichten nicht wiederholt gesendet werden, spielen Personen, die bereits im Kommunikationsprozess involviert waren, für die weitere Verbreitung keine Rolle. Sie sind sozusagen immun. Ganz ähnlich stellt sich die Situation bei Infektionskrankheiten dar. Ausgehend von den initial infizierten Personen verbreitet sich die Krankheit durch soziale Kontakte in der Bevölkerung.
Die aktuelle Corona-Krise hat Prof. Dr. Wöhner und Dr. Scholz veranlasst, ihr Modell zum viralen Marketing auf den Anwendungsfall von Infektionskrankheiten zu übertragen. Unter dem Namen Epirus-Modell lassen sich Krankheiten untersuchen, bei denen die Betroffenen nach einer Ansteckung eine Immunität entwickeln. Nach derzeitigem Stand lässt sich das Epirus-Modell daher auf Corona anwenden. Epirus steht als Webapplikation zur Verfügung und kann bei einer entsprechenden Parametrisierung durch Virologen anhand aktueller Fallzahlen einen wertvollen Beitrag im Kontext der Corona-Krise beispielsweise zur Bedarfsplanung in medizinischen Einrichtungen liefern.
Der Vorteil des Modells besteht darin, dass Epirus aus der Sozialen Netzwerkanalyse entstanden ist und damit die sozialen Kontakte direkt als Parameter in das Modell eingehen. Somit lassen sich die aktuellen Schutzmaßnahmen wie Kontaktbeschränkungen und Quarantänemaßnahmen sowie deren mögliche Aussetzung gut anhand des Epirus-Modells diskutieren. So zeigt sich, dass Schutzmaßnahmen sehr zielführend sein können, aber die Wirkung durch eine zu frühe und komplette Aussetzung verpufft.
Die Wissenschaftler planen auch in Zukunft zur Lösung der Corona-Krise beizutragen. Ein vielversprechender Ansatz besteht darin, das Modell auf realistische Netzwerkdaten zu übertragen und anhand von Computersimulationen konkrete Maßnahmen wie das Verbot von Großveranstaltungen oder die Auswirkungen von Schutzmaßnahmen auf Risikogruppen zu analysieren.
Info und Fotografik, EAH JENA // Prof. Dr. Thomas Wöhner, PD. Dr. Michael Scholz