Facetten der Diskriminierung verstehen
Totalitäre Regime sichern ihre Macht einerseits durch Militarisierung der Gesellschaft, andererseits durch Unterdrückung und Einschüchterung Andersdenkender. Auch in der DDR war Diskriminierung ein Mittel zur Eindämmung von Oppositionellen. Insbesondere Christen, die den Dienst an der Waffe verweigert haben oder sich der zunehmenden Militarisierung in der Schule widersetzen, erlebten zahlreiche Repressionen.
Seit Anfang 2020 erforscht ein Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unter der Leitung des Kirchenhistorikers Prof. Dr. Christopher Spehr von der Friedrich-Schiller-Universität Jena die Diskriminierung von Christen in der DDR am Beispiel von Bausoldaten, Totalverweigerern und Jugendlichen, die der Wehrerziehung an der Schule ablehnend gegenüberstanden.
Vom 27. bis zum 29. September laden Prof. Spehr und sein Team zur Tagung „Diskriminierung von Christen in den 1960er Jahren der DDR“ in die Rosensäle der Universität Jena ein (Fürstengraben 27). Die Tagung wird aufgrund der coronabedingten Einschränkungen in Hybridform stattfinden.
Vielfältige Formen von Diskriminierung Andersdenkender
„Wir wollen mit dieser Tagung unser Forschungsgebiet flankieren und es breiter aufstellen“, sagt PD Dr. Roland M. Lehmann, der gemeinsam mit Prof. Spehr das Forschungsprojekt koordiniert. Die Konzentration auf die 1960er Jahre der DDR erfolgte, weil dieses Jahrzehnt mit dem Mauerbau 1961 und der Einführung der Wehrpflicht neue Formen von Widerstand hervorrief, worauf das SED-Regime mit Repressionen reagierte.
So geht es in der Tagung um die zunehmende Militarisierung des Alltags in der DDR und um weitere Fallbeispiele der Diskriminierung von Christen in den verschiedenen Kirchen, Freikirchen und christlichen Sondergemeinschaften. Außerdem soll der Diskriminierungsbegriff selbst im Rahmen der modernen Diskriminierungsforschung thematisiert werden: „Formen von Diskriminierung Andersdenkender reichten damals von Gefängnisstrafen für Totalverweigerer über Schikanierung von Bausoldaten bis hin zum ,Mobbing‘ an den Schulen gegen unbotmäßige Schüler und Schülerinnen“, sagt Christopher Spehr.
Die Tagung ist dabei interdisziplinär ausgerichtet. Sowohl kirchenhistorische also auch rechtliche, alltagshistorische und kirchensoziologische Fragestellungen werden in den Blick genommen.
Vom Bausoldat zum Minister für Verteidigung: Rainer Eppelmann im Gespräch
Den Höhepunkt der Tagung bildet die Festveranstaltung am Montagabend: In der Aula der Friedrich-Schiller-Universität (Fürstengraben 1) ist Rainer Eppelmann zu Gast. Der letzte Minister für Abrüstung und Verteidigung der DDR spricht über seine Erfahrungen als Bausoldat in der DDR. Eppelmann (Jahrgang 1943) hatte den Dienst an der Waffe verweigert und entschloss sich, Bausoldat zu werden. Wegen Befehlsverweigerung, den Fahneneid abzuleisten, wurde er zu einer achtmonatigen Gefängnisstrafe verurteilt.
Der Festakt in der Aula der Universität beginnt um 18 Uhr, das Gespräch mit Rainer Eppelmann steht unter dem Motto: „Das Bausoldatentum als ‚Schule der Demokratie’ – Erfahrungen als Bausoldat“.
Weitere Informationen zum Tagungsprogramm unter: https://www.theologie.uni-jena.de/Tagung_Diskriminierung.
Wer an der Tagung virtuell oder in Präsenz teilnehmen möchte, wird um Anmeldung per E-Mail an: tagung_diskriminierung_2021@uni-jena.de oder per Telefon 03641 942736 gebeten.
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Info, Axel Burchardt // UNI Jena
Collage, Roland M. Lehmann // Universität Jena