Erinnern:Gestalten“ lädt Besucher zur kritischen Auseinandersetzung zum Thema Erinnerungskultur ein

Das Web-Projekt Erinnern:Gestalten lädt zur kritischen Auseinandersetzung mit Denkmälern und Gedenken ein. Die Website »erinnerngestalten.uni-jena.de« präsentiert Forschungs- und Diskussionsergebnisse zum Thema Erinnerungskultur am konkreten Beispiel der Büste des ehemaligen Jenaer Philosophieprofessors Jakob Friedrich Fries (1773-1843), die ihren umstrittenen Platz in einem Hörsaal der Friedrich-Schiller-Universität hat.

Jakob Friedrich Fries (1773-1843)

Fries veröffentlichte zu Lebzeiten antijüdische und antisemitische Schriften. Derzeit ist seine Porträtbüste übergangsweise verhüllt. Der Launch der Projekt-Website ist gleichzeitig Startschuss einer öffentlichen Ausschreibung, mit der Ideen zum Umgang mit der Büste oder der Um- oder Neugestaltung des Hörsaals gesucht werden.

Ausführliche Auskunft:

Hintergrund des Projekts Erinnern:Gestalten sind zwei Forschungsseminare (Leitung: Prof. Dr. Andrea M. Esser und Dr. Peggy H. Breitenstein), die an die im philosophischen Institut sowie an die in der städtischen Öffentlichkeit Jenas geführte Debatte über das Gedenken an Jakob Friedrich Fries anschlossen. Fries wurde 1801 an der Universität in Jena unter Johann Gottlieb Fichte habilitiert und lehrte später selbst als Professor der Philosophie, Mathematik und Physik in Jena.

Mittelpunkt der aktuellen Diskussion um Fries ist dessen Antisemitismus, der u.a. einer 1816 veröffentlichten politischen Hetzschrift zum Ausdruck kam und schon von Zeitgenoss:innen scharf kritisiert wurde. Heute erinnert in Jena neben einem Straßennamen, einem Grabstein auf dem Johannisfriedhof und einem Denkmal am Fürstengraben auch eine Porträtbüste in einem Hörsaal des Instituts für Philosophie an Fries: Sie steht dort neben den Büsten Fichtes, Hegels, Schellings und Freges.

Philosoph*innen verhüllen Fries-Büste

„Die Büste von Jakob Friedrich Fries bleibt bis auf Weiteres verhüllt.“

Das erste Forschungsseminar setzte sich intensiv mit Fries’ philosophischen Schriften und ihrer Wirkung im Fachdiskurs auseinander und hielt die Ergebnisse dieser Arbeit in einem umfangreichen Werkstattbericht fest. Darin geht es neben dem Umgang mit den antisemitischen Äußerungen von Fries auch um Anschlussfragen wie die nach dem Verhältnis von Philosophie und Politik sowie von Werk und Autor:in.

Wo wird warum an Fries erinnert? Screen WS erinnerngestalten.uni-jena.de
Wo wird warum an Fries erinnert? Screen WS erinnerngestalten.uni-jena.de

Das zweite Forschungsseminar befasste sich ausführlicher mit den Konsequenzen der antijüdischen und antisemitischen Auffassungen und Veröffentlichungen für das weitere Gedenken an Fries. Dabei wurden am Beispiel der Büste im Hörsaal die Möglichkeiten kritischer Erinnerungskultur und öffentlicher Verhandlung eines „kulturellen Gedächtnisses“ erkundet. Besonderes Augenmerk lag dabei auf der Frage, wie theoretisch und praktisch mit Antisemitismus in der Philosophie umgegangen werden kann.

Diese Problematik ist über die lokale Streitfrage hinaus von hoher Aktualität und inspiriert derzeit auch in anderen Fällen – etwa dem des Rassismus im Werk Immanuel Kants – akademische und öffentliche Kontroversen. Nicht nur für die Fachgeschichte, sondern auch die Erinnerungskultur insgesamt bleibt die Frage von öffentlicher Bedeutung, wie mit einem ‚kontaminierten‘ historischen Erbe sinnvoll umgegangen werden kann.

Ergebnisse einer kritischen Auseinandersetzung – mit Denkanstößen

Die Webseite »erinnerngestalten.uni-jena.de« präsentiert die Ergebnisse der kritischen Auseinandersetzung mit dieser Frage und regt zu Reflexion und Diskussion an. Der titelgebende Grundgedanke von Erinnern:Gestalten ist, dass Erinnerung demokratisch gestaltet werden kann und soll. Deshalb sind alle Besucher:innen der Website gefragt, ihre eigenen Antworten auf die Frage „Umgehen mit Fries – bloß wie?“ beizutragen.

Vorschläge zur Um- oder Neugestaltung, Re- oder Dekontextualisierung der Erinnerung an Jakob Friedrich Fries im Hörsaal des Instituts für Philosophie können unter »fries-ausschreibung@uni-jena.de« eingereicht werden.

Die Ausschreibung beginnt mit dem Launch der Website und läuft bis zum 15.9.2021.

Im Rahmen der Veranstaltungsreihe Kein Schlussstrich! Jena und der NSU-Komplex wer-den am 1.10.2021 unter dem Titel Erinnern, Stürzen, Gestalten? ausgewählte Einsendungen vorgestellt und besprochen.

Weitere Informationen:
Website: https://www.erinnerngestalten.uni-jena.de
Ausschreibung: https://erinnerngestalten.uni-jena.de/open-call
Werkstattbericht: https://wieumgehenmitrsa.uni-jena.de/fries-werkstatt
Einreichungen und (Nach)Fragen zur Ausschreibung: fries-ausschreibung@uni-jena.de

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Fotografik, Screen Webseite erinnerngestalten.uni-jena.de