Menschen in allen Gesundheitsberufen (Pfleger:innen, Ärzt:innen und Medizinstudent:innen) fordern 1,5-Grad-Politik: „Wer rettet 150.000 Leben?“
Die Flutkatastrophe, bei der im Sommer 2021 allein in Deutschland 183 Menschen starben, zeigte, dass die Klimakrise in Deutschland bereits Realität ist. Die Häufung von Extremwetterereignissen gefährdet die Gesundheit der Bevölkerung und erfordert Maßnahmen zur Vorbeugung. Der Schutz des Klimas und der Erhalt unserer Lebensgrundlagen kann in Zukunft viele Leben retten. Allein durch die positiven gesundheitlichen Nebeneffekte von Klimaschutz, könnten in Deutschland jährlich 150.000 Todesfälle verhindert werden.
„Ich bin Ärztin geworden, um Menschenleben zu retten. Doch die beste Medizin wird in Zukunft nichts mehr bewirken können, wenn Politiker:innen nicht endlich dafür sorgen, dass die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen beendet wird“, sagte Dr. med. Lisa Pörtner, Health for Future Mitglied und Internistin aus Bremen.
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Demonstration von Menschen in Gesundheitsberufen vor der Charité in Berlin und in über 20 Städten in Deutschland – Mahnwache in Jena am 14.9.2021
Die Demonstrationen greifen die positiven gesundheitlichen Nebeneffekte von Klimaschutz auf und stehen unter dem Motto „Wer rettet 150.000 Leben?“. Die Gesundheitsberufe stellen diese Frage im Vorfeld der Bundestagswahl an die Politiker:innen aller Parteien, so auch in Jena z.B. an Herrn Lenkert (Die Linke), Herrn Mölders und Herrn Montag (FDP), Frau Pfefferlein und Frau Sondermann (Bündnis90/Die Grünen), Herrn Matschie (SPD) und noch geplant Herrn Mohring (CDU).
„Um eine gesunde und nachhaltige Ernährungsweise für die Bevölkerung zu ermöglichen, braucht es klare Maßnahmen wie zum Beispiel eine Reform von bestehenden Ernährungsempfehlungen, eine Bepreisung der Treibhausgas-Emissionen von Lebensmitteln, verbunden mit finanzieller Unterstützung für Menschen mit niedrigem Einkommen und eine Anpassung der Agrarpolitik an die Anforderungen einer gesunden und nachhaltigen Ernährung“, erklärte Dr. Marco Springmann, Senior Researcher in Population Health an der Oxford Universität.
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„Wer rettet 150.000 Leben?“ – Fotografik: Franziska Charrier // Health for Future Jena
Mit den Demonstrationen stellen Menschen in Gesundheitsberufen in ganz Deutschland der Politik die Diagnose Klimakrise. Am 10. September in Berlin trugen dafür Ärzt:innen, Pfleger:innen und Menschen in verschiedenen Gesundheitsberufen in Berufskleidung ein riesiges ärztliches Rezept vom Charité Bettenhochhaus auf den Platz der Republik und stellten es vor dem Reichstagsgebäude auf.
In Jena versammelten sich Mitglieder der lokalen Ortsgruppe am 14.September gegenüber vom Holzmarkt und wiesen mit einer Erde im Rollstuhl, Banner und Plakaten auf die Dringlichkeit des Handelns hin, damit der bereits angeschlagene Planet Erde sich wieder erholen und gesund bleiben kann. Es kam zu spannenden Gesprächen mit Passanten und Informationsmaterialien wurden verteilt.
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Die Klimakrise ist ein medizinischer Notfall
„Wer rettet 150.000 Leben?“ ist ein gemeinsames Projekt von Health for Future und der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG). „Ich habe mich für die Pflegeausbildung entschieden, weil ich Menschen pflegen und helfen will. Doch was es wirklich braucht, um die Klimakatastrophe aufzuhalten, ist eine echte 1,5-Grad-Politik“, sagte Jessica Esser, Health for Future Mitglied und Pflegefachkraft aus Freiburg. Die Aktion wird von einem breiten Bündnis aus Organisationen des Gesundheitswesens unterstützt.
Das Ziel der Organisationen ist es, deutlich zu machen, welche weitreichenden Folgen die Klimakrise für die Gesundheit hat und welche gesundheitlichen Vorteile Klimaschutzmaßnahmen mit sich bringen.
150.000 Leben könnten jährlich in Deutschland gerettet werden
Die 150.000 Leben ergeben sich aus einer 2021 in der Fachzeitschrift Lancet Planetary Health veröffentlichten Studie (“The public health implications of the Paris Agreement”) und repräsentieren eine „Ambitionslücke“ der politischen Maßnahmen: die Tatsache, dass zum Wohle der Gesundheit der Menschen in Deutschland die Politik ambitioniertere Ziele stecken und Maßnahmen durchführen muss.
Die Festlegung nationaler Klimaschutzbeiträge, die die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens für Deutschland möglich macht und zur Begrenzung der Erdüberhitzung auf 1,5 Grad Celsius beiträgt, könnte die schlimmsten Folgen des Klimawandels verhindern und in Zukunft viele Leben retten. Dazu gehören zum Beispiel weniger Todesfälle durch Hitzewellen oder weniger Atemwegserkrankungen durch sauberere Luft. Die Lancet-Studie zeigt, dass allein die Nebeneffekte der Maßnahmen („Co-Benefits“), die durchgeführt werden müssten, um dieses Temperaturziel zu erreichen, bereits so positive Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit hätten, dass hunderttausende vorzeitige Todesfälle verhindert werden könnten.
Die positiven Nebeneffekte entstehen vor allem in den Bereichen Luftqualität, Mobilität und Ernährung, zum Beispiel durch die Reduktion von Emissionen im Verkehr und der Energiegewinnung, durch aktivere Mobilität, sowie gesündere und fleischlosere Ernährung.
Die Lancet-Studie modelliert die Zahl der verhinderten Todesfälle für das Jahr 2040. Werden also jetzt die entsprechenden politischen Maßnahmen eingeleitet, könnten allein durch die positiven gesundheitlichen Nebeneffekte bereits im Jahr 2040 150.000 vorzeitige Todesfälle verhindert werden – und viele weitere auf dem Weg dahin und in den Folgejahren.
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Hintergrund – Organisiert werden die Demonstrationen von Health for Future und der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG). KLUG trägt seit ihrer Gründung im Jahr 2017 das Thema Klimawandel in die Organisationen und Institutionen des deutschen Gesundheitssektors. Ärzt:innen, Menschen in Gesundheitsberufen, Patient:innen und Interessierte setzen sich dafür ein, Klimaschutz dauerhaft in das Gesundheitswesen zu integrieren und auf die Folgen des Klimawandels für die Gesundheit hinzuweisen.
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Aus der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit gründete sich, inspiriert von Fridays for Future und Scientists for Future, im Jahr 2019 Health for Future. Seitdem gibt Health for Future Akteur:innen aus dem Gesundheitsbereich die Chance, aktiv zu werden, sich zu vernetzen und bietet Materialien und Workshops zur lokalen und überregionalen politischen Arbeit, Bildungsarbeit und zur Reduktion von Treibhausgasemissionen im Gesundheitswesen an.
In Jena gründetet sich im Sommer 2020 ebenfalls eine Ortsgruppe, welche sich in einzelnen AGs um folgende Bereiche vor Ort bemüht: Green Hospital, Divestment, Lehre, öffentliche Bildung, planetare Diät, Social media, sowie Gespräche mit Politiker:innen und Krankenkassen. Health for future ist heute mit bereits über 60 Ortsgruppen aktiv, die sich bundesweit und international mit eigenen Schwerpunkten vernetzen.
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Info, Franziska Charrier // Health for Future Jena
Fotografiken, Franziska Charrier // Health for Future Jena