In den kommenden Jahren werden immer mehr „Babyboomer“ das Rentenalter erreichen. Welche Auswirkungen hat das auf Jena?

Die geburtenstarken Jahrgänge 1955 bis 1969 erreichen zunehmend das Renteneintrittsalter. Wie können sich Kommunen darauf vorbereiten und die nötigen Versorgungsstrukturen gewährleisten?

Die Alterskohorte der heute etwa 53- bis 67-Jährigen wurde zu Zeiten hoher Geburtenraten (dem „Babyboom“) nach dem Zweiten Weltkrieg geboren (1955 bis 1969). Hierbei handelt es sich um eine große Gruppe mit unterschiedlichen Lebenslagen, Lebensformen und Lebensstilen. In den kommenden Jahren werden immer mehr „Babyboomer“ in das Rentenalter eintreten. Dies stellt unsere Städte und Gemeinden vor neue Herausforderungen, zumal über die Wohnwünsche und Ansprüche an (Wohn-)Standorte, Mobilität, Einstellungen und Verhaltensweisen der „Babyboomer“ bislang nur wenig bekannt ist.

Es stellt sich die Frage, inwieweit es zu einer veränderten Nachfrage nach Wohnstandorten sowie nach Angeboten im Wohnumfeld kommt. Wie können wir die Standorte medizinischer Versorgung sinnvoller festlegen? Wie können Finanzen heute für morgen optimal eingesetzt werden? Bleiben die jungen Alten im Ort wohnen? Welche Standortfaktoren sind relevant? Wie können Erreichbarkeiten gewährleistet und verbessert werden?

Wie wird sich Jena in den nächsten Jahren verändern? Foto: Frank Liebold, Jenafotografx
Wie wird sich Jena in den nächsten Jahren verändern? Foto: Frank Liebold, Jenafotografx

Jena wurde als eine von sieben Modellkommunen ausgewählt. Vertreter:innen der TU Kaiserslautern haben an diesem Montag das Forschungsprojekt zum Projektauftakt in der Stadtverwaltung vorgestellt.

Die Aufgabe der Forschenden der Technischen Universität Kaiserslautern, des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) und des Fraunhofer Instituts für Experimentelles Software-Engineering (Fraunhofer IESE) ist es, im Rahmen des Projekts „Ageing Smart – Räume intelligent gestalten“ all diese Informationsstränge in einem Entscheidungssystem begreifbar zu machen. Daten aus unterschiedlichen Quellen werden zusammengeführt und das gebündelte Wissen mithilfe von mathematischen Verfahren und Künstlicher Intelligenz miteinander verknüpft, um Zusammenhänge diverser Raum- und Gesellschaftsinformationen zu erkennen.

Ziel des Projektes ist, für Entscheidungsträger ein intuitiv nutzbares, digitales Entscheidungsunterstützungssystem (decision support system, DSS) zu entwickeln, mit dessen Hilfe Infrastrukturen und Dienstleistungen nachfragegerecht und zukunftsorientiert geplant werden können. Das System soll es Akteuren in Kommunen ermöglichen, die Angebote und Dienstleistungen abzustimmen und die Bedarfe und Bedürfnisse der „Babyboomer“ abzubilden.

Um für die Entwicklung des Entscheidungsunterstützungssystems detaillierte Analysen von Situationen und Chancen vornehmen zu können, kooperieren die Forschenden mit sieben Modellkommunen aus unterschiedlichen Siedlungsräumen. Neben den Städten Mannheim und Kaiserslautern (urbane Räume), der Verbandsgemeinde Nieder-Olm und der Gemeinde Remshalden (suburbane Räume) sowie dem Geisaer Land und der Verbandsgemeinde Kusel-Altenglan (ländliche Räume) wurde die Stadt Jena als eine Modellkommune anhand struktureller Daten ausgewählt.

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Die Modellkommunen unterstützen die Forschenden mit der Bereitstellung von kommunalen Daten. Zudem werden in den kommenden vier Jahren Befragungen und Workshops sowohl mit Verwaltungsmitarbeiterinnen und Verwaltungsmitarbeitern, lokalen Akteuren, als auch mit Bürgerinnen und Bürgern durchgeführt. Um mehr über das Alltagsleben, zum Wohnen, Freizeitverhalten und Zukunftsvorstellungen sowie die Bedarfe der „Babyboomer“ und der angrenzenden Geburtsjahrgänge an ihren Wohnorten zu erfahren, ist in Jena im Spätsommer/Herbst eine schriftliche Befragung von 3.000 zufällig ausgewählten Einwohnerinnen und Einwohnern zwischen 50 und 75 Jahren geplant.

Blick in die Jenaer Innenstadt. Foto: Frank Liebold, Jenafotografx
Blick in die Jenaer Innenstadt. Foto: Frank Liebold, Jenafotografx

Am Montag (04.07.22) haben Prof. Dr. Annette Spellerberg, Prof. Dr. Stefan Ruzika und Dr. Lynn Schelisch der TU Kaiserslautern das Projekt vor Vertreterinnen und Vertretern der Stadtverwaltung sowie weiteren Jenaern Akteuren aus den Bereichen Soziales, Senioren, Stadtentwicklung, Infrastruktur, Wohnen, Geoinformation und Statistik vorgestellt und mit ihnen diskutiert, inwieweit sich die Bedürfnisse der „Babyboomer“ bereits heute zeigen.

In dem interdisziplinären Forschungsprojekt arbeiten zehn Professorinnen und Professoren sowie 18 wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus den Disziplinen Raumplanung, Stadtsoziologie, Klimatologie, Informatik und Mathematik zusammen. Das Forschungsprojekt wird seit April 2021 über einen Zeitraum von 5 Jahren von der Carl-Zeiss-Stiftung mit rund 4,3 Mio. Euro gefördert.

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Fotos, Frank Liebold // Jenafotografx.de