Erziehungswissenschaftler der Universität Jena erforscht den Einsatz von VR-Brillen bei der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern
Digitales Lernen hat während der Corona-Pandemie sowohl an der Schule als auch an der Universität viel Aufmerksamkeit und wertvolle Impulse erhalten. Diesen Faden gilt es nun weiter aufzunehmen, um neue Methoden zu entwickeln, zu erproben und schließlich anzuwenden. Der Erziehungswissenschaftler Prof. Dr. Alexander Gröschner von der Friedrich-Schiller-Universität erforscht in einem neuen Projekt, wie virtuelle Realität die Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern – und damit auch den Schulunterricht – bereichern kann. Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus Finnland, Israel, der Türkei und den USA führt er die erste länderübergreifende Studie zu diesem Thema durch. Unterstützt werden die Forschenden dabei von der European Association for Research on Learning and Instruction (EARLI) sowie der Jacobs Foundation.
„Wir wollen herausfinden, wie sich die Bearbeitung von Aufgaben in der sogenannten Virtual Reality – in die angehende Lehrpersonen mittels Brille und zwei Controllern eintauchen – auf den Lernerfolg und die Emotionsregulation während des Lernens auswirkt“, erklärt Prof. Gröschner. „Das völlige Eintauchen in eine Lernumgebung kann etwa dafür sorgen, dass sich Studierende, aber zukünftig eben auch Schülerinnen und Schüler, besser auf Inhalte fokussieren und weniger abgelenkt werden.“
Virtuelle Virenausbreitung
Für die Studie begeben sich Probandinnen und Probanden – vorrangig Lehramtsstudierende – per VR-Brille in die virtuelle Realität und nehmen Lerninhalte aus dem MINT-Bereich auf, also aus Fächern wie Biologie, Chemie und Mathematik. So können sie dank eines am Massachusetts Institute of Technology entwickelten Programms an einem virtuellen Arbeitsplatz die exponentielle Ausbreitung von SARS-CoV-2 anschaulich nachverfolgen und mithilfe integrierter Tools beispielsweise selbst berechnen, welche Infektionszahlen – je nach Einhaltung der Schutzregeln – damit verbunden sind. Die Forschenden um Prof. Gröschner beobachten währenddessen, wie sich die Testpersonen im virtuellen Raum bewegen, wohin sie schauen, wie sie sich orientieren und welche Hilfsmittel sie verwenden. Durch anschließende Interviews und Fragebögen fangen die Jenaer Expertinnen und Experten schließlich die persönlichen Eindrücke der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Studie ein und erfahren, welche mentale Belastung von der ungewohnten Umgebung ausgeht.
„Für die Ausbildung zukünftiger Lehrerinnen und Lehrer hat der Einsatz der VR-Brille einige Vorteile“, erklärt Gröschner. „So können sie sich zum Beispiel durch ein simuliertes Klassenzimmer besser ausprobieren, Bereiche wie Klassenführung lebensnaher testen. Fehler lassen sich eher nachvollziehen und auswerten.“ Außerdem bauten die Studierenden so Berührungsängste vor digitalen Methoden ab und schärfen Kompetenzen, die in Zukunft gebraucht werden.
Digitale Hilfsmittel ermöglichen individuelle Förderung
Denn VR-Brillen in der Schule könnten demnächst durchaus Realität werden. „Als ergänzende Methode haben sie das Potenzial, den Unterricht enorm zu bereichern“, sagt Prof. Gröschner. „Experimente – etwa im Chemieunterricht – lassen sich so viel leichter und ortsungebundener nachvollziehen. Außerdem können die Lehrerinnen und Lehrer Alltagsbezüge in spielerischer Form viel unkomplizierter integrieren.“
Neben der reinen Vermittlung von Inhalten können Lehrkräfte mit solchen digitalen Hilfsmitteln auch stärker auf die unterschiedlichen Leistungsniveaus von Schülerinnen und Schülern eingehen. „Nicht zuletzt der Unterricht während der Pandemie hat gezeigt, dass wir stärker in den Blick nehmen müssen, wer welche Förderung benötigt“, sagt der Erziehungswissenschaftler der Uni Jena, der auch in der Jury des Deutschen Schulpreises mitwirkt. „Der Einsatz von VR-Brillen ist ein Beispiel für individuell abgestimmte Methoden, die dem Lehrpersonal darüber hinaus Informationen über jede einzelne Schülerin und jeden einzelnen Schüler liefern.“ Da die technischen Geräte inzwischen durchaus erschwinglich seien, sei ihr Einsatz im Klassenzimmer keine Utopie mehr – vorausgesetzt, die Lehrerinnen und Lehrer wissen damit umzugehen.
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Info, Sebastian Hollstein // UNI Jena
Fotografik, Jens Meyer // Universität Jena