Für einige wissenschaftliche Disziplinen, etwa in der Medizin oder der Arzneimittelforschung, sind Experimente mit lebenden Tieren nach wie vor unerlässlich. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind sich ihrer Verantwortung in diesem sensiblen Bereich bewusst und bemüht, die Anzahl der Versuche so gering wie möglich zu halten. Umfangreiche Standardisierungsprozesse sollen die Effizienz der Experimente erhöhen und somit die Anzahl der notwendigen Tests verringern. Doch die biologische Komplexität, insbesondere eine Abhängigkeit vom Kontext der einzelnen Versuche, erschwert häufig die Reproduzierbarkeit und Generalisierbarkeit der Ergebnisse. Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung der Universität Bern, an dem auch Ökologen der Friedrich-Schiller-Universität Jena beteiligt sind, stellt im aktuellen Forschungsmagazin „Nature Reviews Neuroscience“ Empfehlungen vor, wie sich die Anzahl der Experimente verringern lässt.

Resultate sind häufig kontextabhängig

„Reproduzierbarkeit von Ergebnissen ist ein entscheidender Bestandteil der Wissenschaft. Ergebnisse sind dann reproduzierbar, wenn aus einer Erst-Studie gewonnene Forschungsergebnisse durch unabhängige Replikatstudien bestätigt werden können“, erklärt Prof. Dr. Holger Schielzeth von der Universität Jena, einer der Co-Autoren der Studie. „Ein Grundproblem biologischer Untersuchungen ist dabei, dass die Resultate häufig sehr kontextabhängig sind. Unser Vorschlag ist deshalb, einen dieser Einflussfaktoren – nämlich die biologische Variabilität – bereits in das Design des Experiments zu integrieren, um so allgemeingültigere Ergebnisse hervorzubringen.“

Standardisierung schränkt ein

Derzeit standardisieren Forscherinnen und Forscher bei Versuchen, wie etwa zur Verabreichung eines potenziellen Medikaments, nach strengen Kriterien die Rahmenbedingungen und Merkmale der Versuchstiere. Dadurch wollen sie sämtliche Einflussfaktoren, die nichts mit dem unmittelbaren Versuchsziel zu tun haben, beseitigen und somit die Wiederholbarkeit der Ergebnisse erhöhen. Diese standardisierte Vorgehensweise schränkt allerdings den Bereich der Bedingungen ein, auf die die so gewonnenen Ergebnisse verallgemeinert werden können. Mehr Studien sind also notwendig, um die Resultate zu bestätigen.

„Wir empfehlen deshalb die gezielte Einbeziehung von Variationen in die Gestaltung der Versuche, um den Bereich zu vergrößern, auf den die Ergebnisse zuverlässig übertragen werden können“, sagt der Jenaer Ökologe. „Das erhöht das Potenzial der Reproduzierbarkeit und verringert somit die Gesamtzahl der Versuche.“ Eine sogenannte „systematische Heterogenisierung“ von Tiermerkmalen und Umweltfaktoren könne in einer modifizierten Version des randomisierten Block-Designs erreicht werden. Dabei werden Manipulationen und experimentelle Kontrollen gepaart angesetzt und gezielt in unterschiedlichen Kontexten durchgeführt.

Prof. Dr. Holger Schielzeth von der Uni Jena gehört zum Team, das die gezielte Einbeziehung von Variationen in die Gestaltung der Tierversuche empfiehlt, um den Bereich zu vergrößern, auf den die Ergebnisse zuverlässig übertragen werden können. (Foto: Jan-Peter Kasper/FSU)
Prof. Dr. Holger Schielzeth, Abteilung für Populationsökologie, Institut für Ökologie, Friedrich-Schiller-Universität Jena, aufgenommen am 12.10.2016. Foto: Anne Günther/FSU

Weniger Folgestudien notwendig

Durch diese Anordnung lässt sich herausfinden, ob bestimmte Ergebnisse verallgemeinerbar oder auf versuchsspezifische Einflussfaktoren zurückzuführen sind. Denn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler könnten so innerhalb einer Studie biologische Variationen aufgreifen und beispielsweise verschiedene Geschlechter, Altersgruppen oder Lebensbedingungen der Tiere berücksichtigen. So erhalten sie robustere Erkenntnisse aus einem einzelnen Experiment. Weitere Forschung an dieser neuen Methode soll bessere Richtlinien für zukünftige Versuche hervorbringen.

„Uns ist bewusst, dass sich durch dieses Experiment-Design die Anzahl der Versuchstiere während einer Erst-Studie erhöhen kann“, sagt Schielzeth. „Doch sind danach weitaus weniger Folgestudien erforderlich, um das Ergebnis zu verifizieren, was insgesamt zu einer deutlichen Verminderung der Versuchstiere führt.“ Deshalb fordert das Team Forschungsinstitutionen und Regulierungsbehörden dazu auf, die Heterogenisierung als Standardmodell für Experimente zu etablieren.

Original-Publikation:

Voelkl, N. S. Altman, A. Forsman, W. Forstmeier, J. Gurevitch, I. Jaric, N. A. Karp, M. J. Kas, H. Schielzeth, T. van de Casteele, H. Würbel (2020): Reproducibility of animal research in light of biological variation, Nature Reviews Neuroscience, DOI: https://doi.org/10.1038/s41583-020-0313-3

Info, FSU JENA // Axel Burchardt