Er ist undotiert, gehört aber in der Visualisierungsforschung zu den wichtigen Preisen: der EuroVis Young Researcher Award. In diesem Jahr erhält Prof. Dr. Kai Lawonn von der Universität Jena die Auszeichnung, mit der ihm bestätigt wird, dass er durch herausragende wissenschaftliche Beiträge zur Visualisierungsforschung in Europa beigetragen hat. Der Preis wird ihm am 25. Mai auf der Fachkonferenz „Eurographics & Eurovis 2020“ übergeben, die angesichts der Corona-Pandemie virtuell stattfindet. „Ich hoffe, dass der Preis dazu beitragen wird, mehr Aufmerksamkeit auf den Bereich der Visualisierung zu lenken“, sagt Lawonn. „Er soll mehr junge Menschen dazu ermutigen, Informatik zu studieren und sich an diesem aktiven Forschungsfeld zu beteiligen.“
Software erleichtert medizinische Prognosen
Kai Lawonn ist seit kurzem Juniorprofessor für Visualisierung und explorative Datenanalyse der Universität Jena. Der 34-jährige Informatiker arbeitet daran, riesige Datenmengen mit Hilfe von Algorithmen in leicht begreifbare Modelle zu überführen. Die von Prof. Lawonn entwickelten Programme kommen u. a. in der Medizin zum Einsatz. So entwarf er eine verbesserte Darstellung cerebraler Aneurysmen. Das sind ballonartige Ausbeulungen an Gefäßen im Kopf, bei denen Blut gegen die Gefäßwand drückt und die zum Tod führen können, wenn sie platzen: „Die Ursachen für das Platzen sind zwar noch nicht restlos geklärt, aber man geht davon aus, dass die Größe, die Morphologie und der Blutfluss der Gefäße entscheidend sind“, erläutert Lawonn. Jedoch können herkömmliche Bildgebungsverfahren, etwa das MRT, diese Faktoren nicht gut abbilden. „Hier kommen ich und mein Team ins Spiel: Wir erzeugen am Computer ein 3D-Modell, dem Ärzte schnell die wichtigsten Informationen entnehmen können.“
Auch in Jena befasst sich Lawonn hauptsächlich mit der medizinischen Visualisierung, die Ärzten bei der Diagnose oder der Operationsplanung helfen soll. Dafür arbeitet er eng mit dem Universitätsklinikum und anderen Universitäten zusammen. Mit einem neuen Programm will das Forschungsteam zuverlässig die Wahrscheinlichkeit bestimmen, ob ein Patient einen Schlaganfall erleidet oder nicht. „Auch dabei berücksichtigen wir viele verschiedene Faktoren wie Patienteninformationen, Gefäßmorphologie und Blutflusseigenschaften, deren Zusammenspiel zu einer verbesserten Voraussage führen soll“, so Lawonn.
Algorithmus erweckt altes Bildnis zu neuem Leben
Lawonns Expertise ist aber auch in ganz anderen Gebieten gefragt. So kam seine Software im Magdeburger Dom zum Einsatz, um dort ein über 800 Jahre altes Bildnis des damaligen Königs Otto wieder sichtbar zu machen. Dazu nahm er den verfallenen Putz zunächst mit einer stereoskopischen Kamera auf und berechnete dann mit Algorithmen ein topologisches Modell. Durch die räumliche Darstellung ließen sich die Putzritzungen des Kunstwerks schließlich rekonstruieren. „Es ist vor allem diese Zusammenarbeit mit verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen, die mir an meinem Beruf so viel Spaß bereitet“, sagt Lawonn. „So lerne ich andere Perspektiven kennen und werde stets mit abwechslungsreichen Forschungsfragen konfrontiert.“
Kai Lawonn studierte Mathematik in seiner Heimatstadt Berlin. Danach wagte er den Sprung in die verwandte Disziplin der Informatik, obwohl er zuvor wenig Programmiererfahrung besaß. Das Experiment gelang: In Magdeburg promovierte er zum Thema „Illustrative Visualisierung medizinischer Datensätze“. Im Anschluss begann er seine Juniorprofessur an der Universität Koblenz-Landau und habilitierte parallel dazu – das alles in beeindruckender Geschwindigkeit. In Jena will er seine Leidenschaft für die Informatik auch in die universitäre Lehre einbringen. „Für meine Studierenden werde ich immer ein offenes Ohr haben“, verspricht Lawonn. „Außerdem will ich mich dafür einsetzen, dass sie das Gelernte direkt anwenden können.“
Info, FSU JENA // Till Bayer
Foto, Teresa Patrizia Schardt