Politpsychologe der Friedrich-Schiller-Universität Jena veröffentlicht Glossar zu Begriffen aus der offenen, transparenten und frei-zugänglichen Wissenschaft 

Beinahe jedes wissenschaftliche Fachgebiet nutzt sein ganz eigenes und spezifisches Vokabular. Dass dies bei Forschenden und Außenstehenden zu Fehldeutungen oder Missverständnissen führen kann, liegt auf der Hand. Ein Bereich, der davon besonders geprägt ist, ist die offene, transparente und frei-zugängliche (d. h. barrierefreie) Wissenschaft (engl.: Open Science). Dieser Wissenschaftsansatz spiegelt die Idee wider, dass wissenschaftliches Wissen aller Art u. a. offen zugänglich, transparent, reproduzierbar, replizierbar, integrativ und frei für jeden sein sollte. Mit der Zeit entwickelten sich zahlreiche forschungsbezogene Begriffe und es werden Terminologien verwendet, die im Laufe der Zeit ihre Bedeutung geändert haben.

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Diese sprachlichen Veränderungen können eine Barriere für den Zugriff auf und das Verständnis von Wissenschaft darstellen. Die internationale FORRT-Gemeinschaft (Framework for Open and Reproducible Research Training), geleitet von dem Jenaer Wissenschaftler Flávio Azevedo, hat deshalb ein Glossar entwickelt, das die wichtigsten Begriffe definiert und kontextual einordnet. Das Glossar wurde nun in der renommierten Fachzeitschrift „Nature Human Behaviour“ veröffentlicht.

Freien Zugang zu Wissen und Diskussion ermöglichen

Durch die freie Zugänglichkeit zu Forschungsergebnissen und -daten für alle Fachbereiche der Wissenschaft ist ein gemeinsames und gleiches Verständnis der Begriffe essenziell. Deshalb hat die FORRT-Gemeinschaft Begriffe und ihre Definitionen gesammelt, die in der offenen und transparenten Wissenschaft besonders häufig auftauchen. Ziel sei es gewesen, Terminologien insbesondere dort zu klären, wo Begriffe unterschiedlich oder austauschbar verwendet werden, sagt Flávio Azevedo vom Institut für Kommunikationswissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

Als Beispiel nennt er dafür etwa den Begriff „Preregistration“. In den Sozialwissenschaften bezieht sich der Begriff beispielsweise auf eine mit einem Zeitstempel versehene Version eines Forschungsprotokolls, während er sich im Gesundheitswesen auf einen Kurs bezieht, der Studierende für einen schnellen Einstieg in einen medizinischen Beruf qualifiziert.

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In einem online-basierten Projekt tauschten sich Forschende verschiedener Fachbereiche, u. a. aus der Psychologie, den Wirtschaftswissenschaften, Neurowissenschaften, Geisteswissenschaften, der Medizin oder auch den Sozialwissenschaften innerhalb der FORRT-Community zu Begriffen und ihren Definitionen aus. Als einer der Hauptverantwortlichen leitete Flávio Azevedo zusammen mit zwei Kollegen die Moderation dieses Prozesses. „Wenn die verwendeten Begriffe verständlich und abgegrenzt definiert sind, kann ein gemeinsames Verständnis und eine effektive Kommunikation für Neulinge und Expertinnen und Experten geschaffen werden.

Flávio Azevedo will mit dem Glossar dazu beitragen, sprachliche Barrieren zu überwinden. (Foto: Jens Meyer/Universität Jena)
Flavio Azevedo, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Kommunikations- und Medienpsychologie mit dem Schwerpunkt Social Media und Netzöffentlichkeit am Institut für Kommunikationswissenschaft, porträtiert am 13.12.2021 auf dem der Universität in Jena. Foto: Jens Meyer/Universität Jena

Dafür mussten wir zwischen allen unseren Autorinnen und Autoren Konsens schaffen“, erklärt Azevedo. Das Verzeichnis des Glossars umfasst 112 Autorinnen bzw. Autoren, mitgewirkt hätten aber weit mehr, etwa zwischen 150 und 200, so der Kommunikationswissenschaftler. „Eine Konsensfindung war deshalb nicht immer ganz leicht.“ Gemeinsam wurden mehr als 250 Begriffe aus der offenen, transparenten und frei-zugänglichen Wissenschaft ausgearbeitet. Das komplette Glossar veröffentlicht die FORRT-Gemeinschaft auf ihrer Webseite: https://forrt.org/glossary/.

Soziale Gerechtigkeit in der freien Wissenschaft

Open Scholarship als Oberbegriff erweitert den bekannten Begriff „Open Science“ um die offene Wissenschaft und schließt auch Disziplinen wie etwa die Geisteswissenschaften mit ein. Da sich das Glossar auf den gesamten Bereich der Open Scholarship bezieht, sollen in diesem Zusammenhang Offenheit, Integrität, soziale Gerechtigkeit, Vielfalt, Gleichheit, Inklusivität und Zugänglichkeit in das Glossar aufgenommen und verbessert werden. Diesen Open-Scholarship-Ethos berücksichtigten die Autorinnen des Glossars in den Definitionen und Verwendung der aufgelisteten Begriffe. So findet sich beispielsweise auch der Begriff „bropenscience“ im Glossar, der auf strukturelle Ungleichheiten innerhalb des akademischen Systems anspielt.

Ständige Aktualisierung des Glossars

Mit der Veröffentlichung des Glossars schließt das Team die erste Phase seines Projektes ab. „So wie sich Sprache entwickelt und verändert, muss das Glossar jedoch weiter aktualisiert und verbessert werden“, so Azevedo. Die FORRT-Gemeinschaft lädt daher alle Interessierten ein, sich bei der Erweiterung des Glossars weiterhin einzubringen, die Begriffe und Definitionen kritisch zu hinterfragen und mit der Gemeinschaft über ihre Webseite oder über das dort verlinkte Messaging-Programm „Slack“ in Kontakt zu treten.

Über FORRT

FORRT ist eine von Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern geleitete Organisation, die sich für die Integration von Grundsätzen der offenen, transparenten und frei-zugänglichen Wissenschaft in die Hochschulbildung einsetzt. Die Organisation erzeugt verschiedene offene Bildungsressourcen, die von Lehrkräften für die Lehre und Betreuung genutzt werden können (https://forrt.org/nexus/). FORRT verfolgt einen kollaborativen Ansatz in der Wissenschaft, bei dem Forschungsteams aus der ganzen Welt zusammenkommen, um Ressourcen zu produzieren, die jeder und überall nutzen kann.

Diese Offenheit, kombiniert mit Grundsätzen der sozialen Gerechtigkeit, könnte zukünftig Auswirkungen auf die Öffentlichkeit haben, die sowohl von wissenschaftlichen Fortschritten profitieren würde als auch leichteren Zugang zu Wissen, Ressourcen und den Daten hinter den wissenschaftlichen Erkenntnissen hätte. Über aktuelle Projekte und Publikationen informiert die FORRT-Gemeinschaft auf ihrer Webseite https://forrt.org.

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Info, Vivien Busse // UNI Jena 
Foto: Jens Meyer // UNI Jena