Experimente mit Magnetfeldern, Stromkreisen oder schwingenden Pendeln sind fester Bestandteil des Physikunterrichts. Jedoch könnte der Unterricht schon bald um weitere Facetten ergänzt werden. Denn in letzter Zeit hat die Quantenmechanik, die das physikalische Geschehen auf der allerkleinsten Ebene erfasst, gegenüber der klassischen Physik stark an Bedeutung gewonnen – so sehr, dass viele Physikerinnen und Physiker sie verstärkt in die Schulen einbringen möchten. Einer von ihnen ist Prof. Dr. Holger Cartarius, der seit Kurzem an der Friedrich-Schiller-Universität Jena als Professor für Physikdidaktik lehrt. Er entwickelt neue Lehrmethoden für Themen der modernen Physik, die in der Unterrichtspraxis zum Einsatz kommen.

Quantenphysik hält Einzug in den Alltag

„Die Grundlagen der Quantenmechanik wurden schon vor vielen Jahrzehnten entwickelt, aber gegenwärtig werden sie so relevant, dass man auch im Alltag oder im Berufsleben mit ihnen in Berührung kommen kann“, erklärt der 41-jährige Physiker. Neben dem Quantencomputer, der aktuell von führenden Technologieunternehmen entwickelt wird, gelte das vor allem für den Bereich der Quantenkryptographie, welche die Übertragung sensibler Daten sicherer machen soll. Das Prinzip: Sender und Empfänger einer Nachricht einigen sich auf einen Quantenschlüssel, den sie z. B. mithilfe verschiedener Polarisationszustände eines Lichtteilchens erstellen. Eine dritte Partei kann somit keine Informationen über den Schlüssel gewinnen, ohne dass ihr Abhören bemerkt werden würde.

Holger Cartarius ist neuer Professor für Physikdidaktik an der Universität Jena .. Quantensprung im Klassenzimmer

Doch wie bildet man angehende Lehrerinnen und Lehrer dazu aus, die komplexe Physik hinter der Quantenkryptographie auch im Klassenraum zu erklären? „Die Quantenphysik liegt weit entfernt von allem, was den Menschen in ihrer Erfahrungswelt unmittelbar zugänglich ist“, sagt Prof. Cartarius. Wer dieses Wissen vermitteln will, müsse daher das Abstrakte besonders anschaulich und spannend erklären sowie auf das Vorwissen der Schülerinnen und Schüler Rücksicht nehmen.

Hilfestellung für Nicht-Mathematiker

Darüber hinaus sorgt Cartarius dafür, dass Lehramtsstudierende auch die vielfältigen Themen der klassischen Physik – wie Optik, Mechanik oder Elektrizitätslehre – sicher beherrschen. „Hier besteht die Schwierigkeit darin, dass nicht alle Studierenden das mathematische Handwerkszeug mitbringen, weil sie etwa lieber Biologie oder Sport als zweites Fach unterrichten möchten“, erläutert Cartarius. In einem Lehrprojekt sucht er deshalb nach Möglichkeiten, wie sich solche Unterschiede im Mathematik-Wissen ausgleichen lassen, sodass alle Studierenden gut mitkommen. Ein Lösungsansatz seien Promovierende oder ältere Studierende, die als Mentorinnen und Mentoren Hilfestellung geben können.

Bevor Holger Cartarius nach Jena kam, forschte und lehrte er an der Universität Stuttgart. Nach einem Forschungsaufenthalt am Weizmann-Institut für Wissenschaften in Rehovot (Israel) kehrte er dorthin zurück und habilitierte zum Thema „Quantensysteme mit ausgeglichenem Gewinn und Verlust“. Im Anschluss wechselte er in die Physikdidaktik und baute diesen Bereich in Stuttgart maßgeblich mit auf.

„Die Jenaer Didaktik hat eine lange Tradition“, schwärmt Cartarius von seinem neuen Umfeld. „Besonders gefällt mir der Austausch mit den anderen Fachdidaktiken wie der Chemie, wodurch man schnell gemeinsame Projekte realisieren kann.“ Bestens vernetzt ist Cartarius zudem im Bereich Astronomie, wo er eng mit seinem Vorgänger Prof. Dr. Karl-Heinz Lotze zusammenarbeitet. Gerade die Astronomie könne dabei helfen, physikalisches Wissen zu vertiefen und für den Beruf des Physiklehrers zu begeistern, so Cartarius. Der Blick in die Sterne rufe schließlich von Natur aus Begeisterung bei vielen jungen Menschen hervor.